Pflege in OÖ: „Es gibt mehr als genug zu tun“

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Der OÖ Landesrechnungshof hat sowohl die Ist-Situation als auch die Entwicklung der kommenden Jahre im Pflegebereich in OÖ analysiert und dabei auf einige besorgniserregende Entwicklungen hingewiesen. Auch MFG-Gesundheitssprecherin und Landtagsabgeordnete Dagmar Häusler sieht in vielen Bereichen Handlungsbedarf: „Es gibt mehr als genug zu tun.“

„Das Berufsimage des Pflegeberufs wurde in den letzten Jahren richtiggehend zerstört – sowohl politisch als auch medial“, sagt Dagmar Häusler. „Das beginnt bereits bei den Berufsbezeichnungen: Vor allem die Berufsbezeichnung der nicht Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger sollte man künftig überdenken. Ständig von ‚Assistenzberufen‘ oder ‚Hilfskräften‘ zu sprechen, wertet diese systemrelevanten Berufe ab.“ Kleine Ursache, große Wirkung: „Wer will schon ständig nur als ‚Assistenz‘ bezeichnet und möglicherweise dann auch im Arbeitsalltag so eingestuft und behandelt werden? Dabei sind auch diese vermeintlichen Assistenz- oder Hilfsberufe als vollwertig und gleich hoch zu schätzen. Wir müssen hier eine andere Tonalität in der Kommunikation finden.“

 

„Wir brauchen endlich eine klar strukturierte, transparente und öffentlich zugängliche Plattform, die Überblick über alle Ausbildungsmöglichkeiten und Ausbildungsstätten schafft. Momentan ist das ein unglaubliches Durcheinander in Oberösterreich.“
MFG-Landtagsabgeordnete Dagmar Häusler

 

Personalbedarfsplanungen und Möglichkeiten viel offener und transparenter gestalten.
Ebenfalls ein Brennpunkt: die fehlende Transparenz bei den Bewerbungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Ständig gibt es neue Initiativen seitens der Politik, von Organisationen oder Ausbildungseinrichtungen – Klarheit darüber sucht man aber vergebens. Dagmar Häusler: „Wir brauchen endlich eine klar strukturierte, transparente, öffentlich zugängliche Plattform, die Überblick über alle Ausbildungsmöglichkeiten und Ausbildungsstätten schafft. Momentan ist das ein unglaubliches Durcheinander. Dieses ständige Tauziehen beim Bewerben von neuem Personal wurde zur Zerreißprobe. Selbst in den diversen politischen Unterausschüssen können die einschlägigen Fragen nicht mehr beantwortet werden. Oberösterreich kennt sich nicht mehr aus.“

Aussteiger-Quote: den wahren Gründen begegnen!
Dramatisch gestaltet sich auch die Dropout-Quote. „Sehr viele Menschen verlassen das Pflege-Berufsfeld nach relativ kurzer Zeit wieder. Im Landesrechnungshofbericht wird zwar eine Analyse der Beweggründe angestoßen, aber einmal mehr eine der vermutlich wichtigsten Ursachen außer Acht gelassen: der Familie kommt in unserer Gesellschaft – quer durch alle Gesellschaftsschichten – ihr wahrer Wert, nämlich die Keimzelle unserer Gesellschaft zu sein, immer mehr abhanden. Er wird durch ‚Rund-um-die-Uhr‘ geöffnete Kinderbetreuungseinrichtungen förmlich untergraben. Wir entwickeln uns zu einer immer unmenschlicheren und empathieloseren Gesellschaft – soziale Kompetenz fehlt immer mehr. Ganztagsbetreuten Kindern fehlt die Nähe und somit auch Vorbildwirkung ihrer Eltern. Die Bedeutung der Familie wird dadurch geschmälert – Nächstenliebe wird fremdbestimmt. Das sinnstiftende Potenzial sozialer Pflegeberufe ist bei der Berufswahl kaum mehr Entscheidungskriterium – man hat das Gefühl, dass diese Motivation gar nicht mehr zum Zeitgeist passt“, so Dagmar Häusler.

Fachkräftestrategie: Wege und Ziele nicht erkennbar
Vorgesetzten, die mit ihrer eigentlichen Arbeit voll ausgelastet sind, bleibt oft keine Zeit mehr, um ihre Führungsrolle auszuüben, weshalb sie den Pflegeberuf an den Nagel hängen: „Mitarbeiter zu führen bedeutet auch, sich dafür Zeit zu nehmen. Diese Zeit ist aber oft schlichtweg nicht vorhanden.“

 

„Die Hattmannsdorfer-Strategie folgt keinem wirklich erkennbaren Weg.
Es gibt auch keine tatsächliche Zielsetzung und keine klaren Zahlen.
Mir ist das ein bisschen zu viel Hurra und Blendwerk.“
MFG-Landtagsabgeordnete Dagmar Häusler

 

Die vom zuständigen Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer lancierte Fachkräftestrategie ist zu begrüßen. Dagmar Häusler: „Aber sich hier als der große Retter aufzuspielen, steht selbst einem Landesrat Hattmannsdorfer nicht zu. Nachdem der ganze Bereich seitens der ÖVP jahrzehntelang zu Tode gespart wurde, kann es eigentlich nur aufwärts gehen.“ Zudem sei das überzogene Jubelgeschrei auch inhaltlich kaum nachvollziehbar: „Seine Strategie folgt keinem wirklich erkennbaren Weg. Es gibt auch keine tatsächliche Zielsetzung und keine klaren Zahlen. Wo wollen wir hin und bis wann? Mir ist das ein bisschen zu viel Hurra und Blendwerk“, sagt Dagmar Häusler.

Flachere Hierarchien statt von oben herab
Die Kluft zwischen Ärzten und Pflegern muss geschlossen werden. Dazu ist es wichtig, die Kompetenzen flexibler zu verteilen und auch die Haftungsfragen auf neue, solide Beine zu stellen: „Ständig nur auf Anweisung und auf ‚Befehl von oben‘ zu arbeiten, zehrt an der Motivation. Man kann einem gut ausgebildeten Pflegepersonal sehr wohl etwas mehr zutrauen und es ‚aktiv‘ arbeiten und entscheiden lassen. Das wertet auch den gesamten Berufsstand auf“, so Dagmar Häusler.

Mobile Dienste flexibler gestalten!
Ein enorm wichtiger Bereich wird in Zukunft der mobilen Pflege zuteil. Doch die aktuell starren Strukturen mit einer Aufteilung auf wenige große Anbieter sind nicht zukunftsfähig, so Dagmar Häusler: „Wir haben sehr viele freiberufliche kompetente Pflegekräfte, aber die bekommen zu wenig Aufträge. Zum Zug kommen immer die großen Stakeholder wie Caritas, Hilfswerk oder der Sozialhilfeverband mit ihren sperrigen Strukturen. Wir brauchen hier dringend mehr Flexibilität und Offenheit kleineren Dienstleistern gegenüber, sonst fahren wir den Sozialstaat an die Wand.“

Die Bevölkerung ,mitnehmen‘
Ein wesentlicher Punkt für die MFG: das fehlende Bewusstsein für das Thema Pflege in der Bevölkerung. Hier gab es in der Vergangenheit keinerlei Initiative seitens des Landes: „Wir brauchen Maßnahmen, um den Bereich gedanklich viel stärker in den Köpfen der Menschen zu verorten. Früher oder später wird Pflege für jeden von uns zum persönlichen Thema – das müssen wir den Menschen bewusst machen. Dann geht man auch ganz anders damit um, weil man am eigenen Leib oder in der eigenen Familie erfährt, dass der Pflegeberuf systemrelevant ist.“

Geld ist nicht alles
Die Chance, den ‚wohlstandsverwahrlosten Menschen‘ zu gemeinnützigen Aktivitäten zu bewegen, ist eine echte Herausforderung. Kein Wunder: ‚Befriedigung‘ und Belohnung im Berufsleben wurden über Jahrzehnte falsch konditioniert. Wir reden selbst jetzt immer noch von mehr Bezahlung als Schlüssel zum erfolgreichen Personal-Recruiting. Dagmar Häusler: „Ständig nur an der Gehaltsschraube drehen zu wollen, führt ins Endlose. Erfüllung kann man auch oder besser gesagt vor allem durch das Leisten eines Beitrages für die Gemeinschaft erlangen. Aber da sind wir wieder bei der verlorengegangenen Empathie der heranwachsenden Generation- wir müssen hier vieles grundsätzlich neu andenken: Kinder den ganzen Tag in Betreuungseinrichtungen wegzusperren und so vom sozialen Zusammenleben fernzuhalten und damit das (Vor-)Leben von Familienwerten zu verunmöglichen, führt uns als Gesellschaft in eine Sackgasse.“

Es liegt an uns als Gesellschaft!
All diese Überlegungen münden in einer Grundsatzfrage, die wir uns als Gesellschaft stellen dürfen, nämlich wie wir künftig (miteinander) leben wollen.

 

Rückfragehinweis:
MFG Klub im OÖ Landtag
(+43 732) 7720 – 17402
presse-ooe@mfg-oe.at
www.klubmfg-ooe.at